01.10.2014 Herbst

Was Sie über Pilze wissen sollten

Pilze spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald. Der Mensch schätzt sie als schmackhaftes Nahrungsmittel und wegen medizinisch wirksamer Substanzen
Pilze spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald. Der Mensch schätzt sie als schmackhaftes Nahrungsmittel und wegen medizinisch wirksamer Substanzen Bildnachweis: Thinkstock/iStockphoto

Tatort Eifel, Herbst 2013: Forstbeamte machen illegale Sammler dingfest, die säckeweise Steinpilze aus dem Wald schleppen. Für bis zu 50 Euro pro Kilogramm wollten die Diebe ihre Beute auf Märkten oder an Restaurants verkaufen. Auch aus dem Schwarzwald werden solche organisierten Plündereien gemeldet. Mit schuld ist das feuchtwarme „Pilzwetter“, das die begehrten Speisepilze nur so aus dem Boden schießen lässt. In den nun kommenden Wochen dürften wieder viele Sammler mit Korb, Messer und Pinsel losziehen, um Steinpilze, Pfifferlinge und Rotkappen zu pflücken. Was viele nicht wissen: Nicht nur gewerbliches Sammeln ist verboten, sondern jegliches Sammeln über den eigenen Bedarf hinaus. Wie viel genau erlaubt ist, unterscheidet sich regional sehr stark. Auskunft darüber erteilen die zuständigen Forstämter. Wenn Bestände auf Dauer regelrecht abgegrast werden, können sie schlechter regenerieren. Das unterirdische Geflecht der Pilze, das Myzel, verbleibt zwar im Boden. Doch schränkt das Entnehmen der einzelnen Fruchtkörper die Sporenverbreitung ein oder unterbindet sie. Pilze spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald. Sie ernähren die Bäume und zersetzen organisches Mate­rial. Besonders bedeutsam in diesem Kreislauf ist das Myzel, durch das viele Pilzarten symbiotische Lebensgemeinschaften mit Bäumen bilden. Die Pilze umwickeln mit einer Art feinen Fäden die Wurzelspitzen von Gehölzen und wachsen zwischen den Zellwänden in die Wurzel hinein. Dadurch hängt der Pilz quasi am Tropf der Pflanze. Energiereiche Stoffe, die der Baum im Blattwerk durch Photosynthese bildet, gelangen bis hinab zu den Wurzeln und werden dort vom Pilz abgezapft. Umgekehrt läuft die Nährstoffaufnahme der Pflanze über den Pilz. Er nimmt das Wasser aus dem Boden auf und scheidet Enzyme aus, die organisches Material wie den Holzbestandteil Lig­nin abbauen. Dadurch werden Mineralstoffe freigesetzt, die der Baum aufnehmen kann. Manche Bäume kooperieren mit Hunderten verschiedenen Pilzarten, andere wiederum sind äußerst wählerisch. Das schlägt sich in der Namensgebung nieder. So wächst der Birkenpilz vorzugsweise unter Birken, der Eichenreizker in der Nähe von Eichen. Einige Pilze und Bäume gehen sogar noch viel speziellere Verbindungen ein: Der Buchen­blatthelmling etwa sprießt nur auf den Blättern der Buche, während die Buchenfruchtschalen-Holzkeule ausschließlich auf den Frucht­bechern der Buche vorkommt. Weit mehr als gelegentliches Sammeln bedrohen Schadstoffe in der Luft und im Boden den Fortbestand vieler Pilzarten. So können Stickoxide und Ammonium die Struktur des gemeinsamen Wurzel­­systems von Bäumen und Pilzen, der Mykorrhiza, verändern. Insgesamt geht die Wurzelmasse zurück. Das hat zur Folge, dass die Bäume anfälligwerden gegen Trockenstress und im Sturm eher umfallen. Die Lebensform Pilz zeichnet sich durch immense Artenvielfalt aus. Allein in Deutschland wachsen Schätzungen zufolge bis zu 20 000 Pilzarten, von denen viele noch unentdeckt sind. Weltweit soll die Zahl in die Millionen gehen. Darunter befinden sich mikroskopisch kleine wie einzellige Hefen, aber auch vielzellige Großpilze ab einem Millimeter bis hin zu tellergroßen Exemplaren. Sogenannte Oomyceten sind Scheinpilze, die mit Braun- und Kiesel­algen verwandt sind. Forscher arbeiten daran, die in Oomyceten reichlich vorhandenen langkettigen Omega-3-Fett­­säuren für den Menschen nutzbar zu machen. Sie könnten zum Beispiel für Vegetarier und Veganer einmal eine sinnvolle Nahrungsergänzung sein. Andere Pilze enthalten medizinisch wirksame Substanzen. So stammen das Antibiotikum Penicillin und das in der Transplantationsmedizin zur Unterdrückung der Abwehr genutzte Ciclosporin ursprünglich daraus. Doch werden Pilze auch als Lebensmittel geschätzt. Ihr kräftiges Aroma veredelt selbst einfache Gerichte. Zudem haben sie einen hohen Nährwert. Sie sind eiweißreich, fettarm und enthalten unter anderem Kalium, Phosphor und Vitamin D. Die meisten essbaren Pilze werden erst durch Erhitzen unbedenklich genießbar. Experten raten ungeschulten Personen davon ab, Wildpilze selbst zu sammeln. Die Gefahr, ein giftiges Exemplar zu erwischen, ist ohne entsprechende Erfahrung zu groß. Interessierte können an geführten Pilzwanderungen teilnehmen, um sich das nötige Wissen anzueignen. Zur Sicherheit sollte das, was im Korb landet, von einem ausgebildeten Pilzsachverstän­digen oder Pilzcoach geprüft werden. Auf jeden Fall ist beim Sammeln und Verzehr Zurückhaltung geboten – zum Schutz der Natur und der eigenen Gesundheit, denn Wildpilze reichern auch Schwer­metalle und radio­aktive Substanzen an­. Gründe genug, öfter Zuchtpilze zu genießen.