27.08.2014 Untergewicht

Gesund zunehmen

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Hungerhaken, Bohnenstange, Spargeltarzan – die Umgangssprache kennt viele Spottnamen für dünne Menschen. In unserer Gesellschaft, in der Überfluss häufig Hand in Hand mit Übergewicht geht, werden sehr schlanke Zeitgenossen zwar oft um ihre Figur beneidet. Doch andererseits werden sie als verhärmte Asketen belächelt. Dass viele ohne eigenes Zutun zu schlank sind, ist den meisten von denen, die mit ihrem Gewicht kämpfen, nicht bewusst. Ein hageres Erscheinungsbild ist oft genetisch bedingt, sagen Experten. Häufig haben aber auch Menschen Untergewicht, die sportlich oder im Alltag sehr aktiv sind und trotz eines erhöhten Energie­bedarfs nicht mehr essen. Daneben bringen hohe geistige Anforderungen am Arbeitsplatz oder zum Beispiel in Prüfungssituationen den Stoffwechsel auf Hochtouren. Eine zierliche Statur allein hat an sich noch keinen Krankheitswert. Wer sehr wenig wiegt, sollte jedoch vom Hausarzt abklären lassen, ob zum Beispiel eine Schilddrüsenfunktionsstörung oder Magen-Darm-Erkrankung dafür verantwortlich ist. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Magersucht können die Kilos schwinden lassen. Im Unterschied zum „normalen“ Unter­gewicht ist das Dünnsein bei der Magersucht aber gewollt. Doch auch magere Menschen, die ansonsten gesund sind, laufen Gefahr, dass dauerhaftes Untergewicht sie ­körperlich schwächt. Wenn wichtige Nahrungsbestandteile nicht in aus­reichender Dosis zugeführt werden, kommt es nach und nach zu einer ­katabolen Stoffwechsellage, warnen Ärzte. Das heißt, im Organismus ­überwiegen Abbauprozesse. Fehlen etwa Vitamin D und Kalzium, steigt das Risiko für Osteoporose. Mangelt es an Eiweißen, baut die Muskulatur allmählich ab. Außerdem werden möglicherweise wichtige Funktionsproteine wie Enzyme, Hormone und Immunglobuline nicht in ausreichenden Mengen gebildet. In der Folge fühlen sich mangelernährte Untergewichtige oft kränklich, müde und abgeschlagen. Definitionsgemäß ist eine Person untergewichtig, wenn ihr Body-Mass-Index (BMI) unter 18,5 liegt. Prinzipiell dient dieser Wert jedoch nur zu einer ersten Orientierung, da er zum Beispiel Muskelmasse und Fettverteilung nicht berücksichtigt, und für sehr große und sehr kleine Menschen zu falschen Einschätzungen führen kann. Im Jahr 2009 waren Frauen häufiger (3 Prozent) untergewichtig als Männer (1 Prozent), wie der Indikatorenbericht „Nachhaltige Entwicklung in Deutschland 2012“ des Statistischen Bundesamts feststellt. Besonders ist Dünnsein bei jungen Frauen verbreitet. In der Altersgruppe der 18- bis 19-Jährigen waren 12,5 Prozent zu leicht, bei den 20- bis 24-Jährigen Frauen noch 9,4 Prozent. Bei einem BMI von unter 18,5 kann es ratsam sein, die eigenen Essgewohnheiten in einer Ernährungsberatung oder -therapie überprüfen zu lassen. Viele Untergewichtige, die – noch – gesund sind, lassen beispielsweise manche Mahlzeiten ganz aus. Sie stehen unter Zeitdruck oder vergessen das Essen einfach. Ansprechend zubereitete und farbenfrohe Speisen und Snacks wecken die Lust auf Genuss, die bei Untergewichtigen oft auf der Strecke geblieben ist. Mahlzeiten mit frischen Kräutern oder Gewürzen wie Senf und Ingwer regen die Magensaftbildung und damit den Appetit an. Auch ein paar Nüsse oder eine leckere Suppe vor der Hauptmahlzeit machen vielleicht Lust auf mehr. Das Entscheidende bei der Auswahl der Lebensmittel ist nicht deren Energiedichte, sondern ihr Eiweiß- und Fettgehalt. Untergewichtige, die zunehmen wollen, sollten deshalb neben mehr Kohlenhydraten auch mehr essenzielle Amino- und Fettsäuren aufnehmen. Fleisch, Fisch, Eier, hochwertige pflanzliche Öle sowie vollfette Milchprodukte sollten häufig auf dem Speiseplan stehen. Zum Frühstück kommt zum Beispiel Rührei mit Schinken, zum Abendessen Hühnchen mit Avocado auf den Tisch. Kohlen­hydrate aus ballaststoffreichen Brot­sorten, Nudeln oder Bratkartoffeln eignen sich als Beilage. Hilfreich kann es auch sein, die Anzahl der Mahlzeiten schrittweise auf fünf bis sieben pro Tag zu erhöhen. Werden die Mahlzeiten mit einem Extralöffel Nährstoffen und Energie angereichert, so wird das Zunehmen leichter. Frische Obst- und Gemüsesäfte beispielsweise werden durch einen Löffel Honig gehaltvoller, ins Müsli kann man einen Esslöffel Sahne geben und Salat mit einer Extra­dosis Raps- oder Olivenöl anmachen. Doch auch wer all diese Ratschläge umsetzt, sollte sich keine übersteigerten Hoffnungen machen und die Ziele nicht zu hoch stecken. Die Kilos, die Untergewichtige damit zulegen, bleiben überschaubar. Realistisch ist eine Gewichtszunahme von zwei bis vier Kilogramm innerhalb von drei bis sechs Monaten, sagen Experten.