19.02.2014 Notfall

Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute

Unmittelbar nach der Attacke drängt die Zeit. Doch oft verstreicht sie ungenutzt
Unmittelbar nach der Attacke drängt die Zeit. Doch oft verstreicht sie ungenutzt Bildnachweis: Thinkstock/iStockphoto

Ein plötzlicher vernichtender Schmerz im Brustraum oder starke Übelkeit, Schmerzen, die in die Schulter ausstrahlen, oder ein Brennen im Brustkorb: Dies sind nur einige Symptome, die auf einen Herzinfarkt hinweisen können. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene, Angehörige oder zufällig anwesende Helfer solche Anzeichen kennen, um im Notfall richtig handeln zu können. Eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung belegt, dass viele Europäer einige wichtige Warnzeichen für einen Herzinfarkt nicht kennen. Immerhin schnitten bei einer Befragung von mehr als 10.000 Personen die Deutschen am besten ab. Ratlos im Notfall Umso verblüffender ist ein weiteres Ergebnis der Studie: Gefragt, was sie im Notfall tun würden, gaben nur ein Drittel der Deutschen an, sofort den Rettungsdienst zu rufen – die Maßnahme, die den Patienten am schnellsten die beste Behandlung garantiert. Dies würden dagegen zwei Drittel der Polen und Russen sowie die Hälfte der übrigen Befragten tun. Die Diskrepanz zwischen Symptom- und Handlungswissen ist vor allem in Deutschland überraschend, finden Ärzte. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig den Notarzt rufen, raten sie. „Zeit ist Herzmuskel“, heißt es unter Medizinern. Wenn eine Ader am Pumporgan verstopft ist und die dahinter­liegenden Bereiche nicht mehr mit Blut und Sauerstoff versorgt werden, beginnt der Herzmuskel nach 30 Minuten allmählich abzusterben. Der Infarktschmerz tritt meist im Ruhezustand auf. Verdächtig sind Brustschmerzen, die oft auch in Kiefer oder Arme, Rücken oder Bauch ausstrahlen, mit Angstgefühlen und Schweißausbrüchen einhergehen und länger als fünf Minuten andauern. Häufig ereignen sich Infarkte in den frühen Morgenstunden. Bei solchen Warnsignalen sollte man umgehend den Rettungsdienst (112) alarmieren. Wichtig: Nicht den Hausarzt aufsuchen oder selbst in die Klinik fahren! Der Notarzt kann sofort ein EKG erstellen. Ist die Diagnose unklar, kann der Patient in eine sogenannte Chest Pain Unit eingeliefert und sorgfältig überwacht werden. Bei einem eindeutigen Herzinfarkt bringen ihn die Helfer in das nächste spezialisierte Behandlungszentrum, wo Kardiologen das geschlossene Gefäß wieder öffnen können. Je schneller dies geschieht, umso geringer sind die Schäden am Herzmuskel und desto besser die Überlebenschancen. Zurückhaltung am Wochenende Nach den Daten des Deutschen Herz­registers verläuft diese Versorgung in Deutschland sehr gut. Im Durchschnitt vergehen zwischen dem Notruf und der Behandlung in einem spezialisierten Zentrum 100 Minuten. Doch bis ein Infarktpatient oder Angehöriger den Notarzt ruft, dauert es oft zwei bis drei Stunden. Am Wochenende sei die Angst besonders groß, jemanden unnötig zu alarmieren, sagen Experten. Ärzte sprechen vom „Montagsinfarkt“: Patienten warten trotz starker Beschwerden geduldig, bis die Hausarztpraxis öffnet. Sie und ihre Helfer sind das schwächste Glied der Rettungskette, beklagen Notfallmediziner. Auch die Zeit zwischen dem Notruf und dem Eintreffen des Rettungsdienstes verstreicht oft ungenutzt. Ist der Patient bei Bewusstsein, muss das geschwächte Herz entlastet werden: Oberkörper hochlagern, enge Kleidung öffnen und den Kranken beruhigen. Atmung überwachen. Bei Patienten mit Herzstillstand kann das Gehirn durch den Sauerstoffmangel schon nach wenigen Minuten bleibende Schäden erleiden. Verhindern kann das nur eine sofortige Herzdruckmassage, die für einige Minuten einen Behelfskreislauf aufrechterhält. Doch lediglich in 10 bis 15 Prozent der Fälle wenden Laien sie in Deutschland an. Zu groß ist die Angst, etwas falsch zu machen.