07.08.2013 Moos

Polster mit Gesundheitswirkung

Seit Jahrtausenden nutzen Menschen das weiche Naturmaterial zu vielerlei Zwecken. Heute wird sein großes Potenzial aber kaum noch ausgeschöpft
Seit Jahrtausenden nutzen Menschen das weiche Naturmaterial zu vielerlei Zwecken. Heute wird sein großes Potenzial aber kaum noch ausgeschöpft Bildnachweis: Thinkstock/iStock

Sie wachsen extrem langsam auf Waldböden und Baumstämmen, Grabsteinen und Dachziegeln oder auch in Ritzen zwischen Pflastersteinen: Moose, die botanisch zu den Bryophyten zählen, gelten als äußerst genügsam und robust. Sie können überall dort existieren, wo ihnen ausreichend Feuchtigkeit, Licht und Nährstoffe das Überleben ermöglichen. Natürliche Wundkompressen Für die Menschen sind Moose bereits seit jeher ein begehrtes Naturmaterial. Viele Völker nutzten die Pflanzen, um ihre Schlafstätten zu polstern oder Häuser und Boote abzudichten. Aufgrund der enormen Saugfähigkeit von Torfmoos sollen sogar die ersten Babywindeln damit ausgefüttert worden sein. Naturvölker haben die keimtötende Wirkung der Moose schon früh erkannt. Nordamerikanische Indianer setzten die weichen Pflanzen zum Beispiel bei Brandverletzungen ein, um Schmerzen zu lindern. Sogar im Ersten Weltkrieg wurden noch Wundkompressen aus Torfmoosen hergestellt. Die antimikrobielle Aktivität der Moose richtet sich sowohl gegen zahlreiche Bakterien als auch gegen Pilze. Wissenschaftler argumentieren, dass Moose längst ausgestorben wären, wenn sie sich nicht gegen Bakterien und Pilze zur Wehr gesetzt hätten. Weil die Wirksamkeit aber nicht in klinischen Studien nachgewiesen wurde, sind Moosextrakte heute zwar noch erhältlich, jedoch nicht als Arzneimittel zugelassen. In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) finden rund 40 Moosarten gegen verschiedene Beschwerden Verwendung. Dennoch spielen die Moose auch in der fernöstlichen Medizin eher eine untergeordnete Rolle. Vielleicht liegt das an der mangelnden Verfügbarkeit von Moosen. Die Medizin profitiert aber auf eine andere Weise von den winzigen Pflänzchen. Eine Freiburger Arbeitsgruppe entwickelte bereits in den 1990er-Jahren ein biotechnisches Verfahren, um Moose als Produzenten komplex aufgebauter Proteine zu nutzen. Die Biologen züchten dabei in Moosbioreaktoren spezielle Varianten des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrella patens), die dann gezielt die gewünschten Eiweißstoffe erzeugen. So kann beispielsweise der sogenannte Faktor H, ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Immunsystems, künstlich hergestellt werden. Moose sind Feinstaubkiller Moose zählen zu den kleinsten und ältesten Landpflanzen. Im Gegensatz zu „höheren“ Pflanzen bilden sie keine Wurzeln aus. Sie ernähren sich von den Nährstoffen und Stäuben, die im Regenwasser gelöst sind. Das macht die kleinen Pflanzen zu wahren Feinstaubkillern. Durch elektrostatische Bindung halten sie den Schwebstaub fest und verstoffwechseln die anorganischen Anteile. Wissenschaftler wollen aufgrund dieser Erkenntnis ein Projekt in die Wege leiten, bei dem Moos zur Begrünung von Autobahn-Mittelstreifen eingesetzt werden soll, um den Feinstaub aus den Abgasen zu filtern. Bisher wurde das Verfahren jedoch nur auf einer Teststrecke in Bonn angewendet und an zwei Testanlagen mit begrünten Lärmschutzwänden. Im privaten Bereich läuft es besser. Hier werden die früher eher verpönten Moose zunehmend beliebter. Während die wild wachsenden Pflanzen in den vergangenen Jahrzehnten nämlich teils erbittert als Unkraut bekämpft wurden, nutzen heute viele Gartenbesitzer großflächige Moosmatten zur Begrünung von Dächern und Hauswänden oder zur Gartengestaltung – ein positiver Trend zur Natur und damit reinerer Luft. Unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten: Pharmazeutisch genutzt wird das Kleine Blasenmützenmoos, indem es gentechnologisch aufbereitet und dann kultiviert wird. In speziellen Bioreaktoren gewinnt die Pharmaindustrie komplexe Arzneistoffe. Als Feinstaubfilter können Moose die Luftverschmutzung verringern. Außerdem eignen sie sich als Bioindikatoren für die Luftqualität – vor allem hinsichtlich des Stickstoff- und Schwermetallgehalts der Atmosphäre.