17.07.2013 Schmerzbehandlung

Nicht alle Patienten profitieren von Opioiden

Ärzte verschreiben zunehmend häufiger starke Schmerzmedikamente. Doch nicht immer profitieren die Patienten davon
Ärzte verschreiben zunehmend häufiger starke Schmerzmedikamente. Doch nicht immer profitieren die Patienten davon Bildnachweis: Thinkstock/Wavebreak Media

Zwischen 2000 und 2010 stieg die Zahl der Menschen deutlich, die in Deutschland Schmerzmittel vom Typ der Opioide erhielten. Die Menge der verordneten Tagesdosen verdoppelte sich gar. Manche Experten begrüßen den Anstieg, andere warnen vor einer Fehlversorgung. Allerdings beruht fast die Hälfte des Anstiegs darauf, dass die Bevölkerung älter wird. Senioren leiden öfter unter Schmerzen. Opioide können starke Schmerzen lindern und führen unter ärztlicher Kontrolle in der Regel nicht zu einer Abhängigkeit. Vor allem bei Tumorschmerzen sind sie die Mittel der Wahl. Deutschland galt lange Zeit als unterversorgt. Insofern sehen viele Ärzte den aktuellen Trend zu mehr Opioid-Verschreibungen positiv. Die Gefahr eines massiven Schmerzmittelmissbrauchs, wie er aus den USA bekannt ist, würde in Deutschland derzeit nicht bestehen.Doch der Anstieg der Verordnungszahlen hat auch Schattenseiten. Es gibt Ärzte, die vermuten, dass Opioide auch an Patienten ausgegeben werden, denen die Mittel nichts nützen. Ein Ärzteteam am Schmerzzentrum der Universität Dresden hat die Verordnungen zwischen 2000 und 2010 analysiert. Die Ergebnisse widersprechen der Vorstellung, dass Opioide vor allem Tumorpatienten zugutekommen. So litten rund acht von zehn Patienten nicht an Krebs. Bei Menschen mit chronischen Muskel- oder Gelenkschmerzen helfen die Mittel jedoch nicht auf Dauer und sind womöglich gefährlich. Denn Opioide machen müde und vergrößern vor allem bei älteren Patienten das Risiko für Stürze. Die Schläfrigkeit führt zudem zu Inaktivität. Dabei lindert gerade mehr Bewegung langfristig den Schmerz. Umgekehrt gehen viele Patienten leer aus, die auf die Mittel angewiesen wären. Die Daten des Schmerzzentrums der Universität Dresden zeigen, dass nur bei der Hälfte der Krebspatienten zum Ende ihres Lebens von einer ausreichenden Opioid-Gabe auszugehen ist. Das lässt darauf schließen, dass auch heute Tumorpatienten noch nicht angemessen mit Schmerzmitteln versorgt sind. Bedenklich stimmt Experten der rasante Anstieg der Verschreibungszahlen von Schmerzpflastern mit dem Opioid Fentanyl. Ein Kritikpunkt: Manche Ärzte tasten sich nicht leitliniengemäß von unten nach oben an die angemessene Konzentration heran, sondern verschreiben gleich ein hoch dosiertes Pflaster. Das kann, gerade bei Menschen ohne Opioid-Erfahrung, zu einer gefährlichen Abflachung des Atems führen. Hinzu kommt, dass die Leitlinien Fentanyl nur als Mittel zweiter Wahl empfehlen. Trotzdem führt es die Liste der Verschreibungen an. Zum Siegeszug des relativ teuren Fentanyls trägt die Unsicherheit der Ärzte im Umgang mit Opioiden bei. Der Grund mag darin liegen, dass viele niedergelassene Ärzte noch nicht ausreichend in Schmerzbehandlung geschult sind. Es wäre wünschenswert, dass sie die Therapie mit speziell ausgebildeten Schmerztherapeuten absprechen. Das könnte allerdings schwierig werden, denn in Deutschland praktizieren nur 1500 Spezialisten. Laut Experten fehlen 2500 Einrichtungen zur Schmerzversorgung. Vor diesem Hintergrund sollten sich Patienten oder Angehörige nicht scheuen, die Therapie gerade bei nicht tumorbedingten Schmerzen wachsam zu verfolgen und den Arzt kritisch über Vor- und Nachteile der Opioid-Therapie zu befragen.